
Entgegen der Annahme, Omnichannel sei primär eine technologische Herausforderung, liegt der Schlüssel zu profitablem Wachstum in der organisatorischen Harmonisierung.
- Der größte Fehler ist nicht die falsche Software, sondern konkurrierende Anreizsysteme, die interne Kannibalisierungskonflikte schüren.
- Digitale Pure-Player erzielen höhere Margen, weil sie keine historisch gewachsenen Kanalkonflikte und Silos überwinden müssen.
Empfehlung: Beginnen Sie Ihre Omnichannel-Initiative nicht mit der Technologie, sondern mit einer knallharten Analyse und Neugestaltung Ihrer internen Provisions- und Anreizmodelle.
Für viele E-Commerce-Verantwortliche und Vertriebsleiter gleicht der Aufbau digitaler Kanäle einem Drahtseilakt. Die Angst, das mühsam aufgebaute stationäre Geschäft zu kannibalisieren und die Margen zu erodieren, ist allgegenwärtig. Man investiert in neue Onlineshops, mobile Apps und Social-Commerce-Funktionen, doch der erhoffte, profitable Umsatzschub bleibt aus. Stattdessen entstehen interne Grabenkämpfe zwischen dem Online-Team und der Filialmannschaft.
Die gängige Antwort darauf ist oft rein technologisch: Man sucht nach der perfekten CRM-Plattform oder einer noch besseren E-Commerce-Lösung, die alle Kanäle nahtlos verbinden soll. Doch was, wenn das eigentliche Problem viel tiefer liegt? Was, wenn die fortschrittlichste Technologie wirkungslos bleibt, weil die grundlegende Vertriebsarchitektur auf Konkurrenz statt auf Kooperation ausgelegt ist? Die wahre Herausforderung der Omnichannel-Integration ist weniger eine Frage der Software, sondern eine der organisatorischen Strategie und der Anreizsysteme.
Dieser Artikel bricht mit der rein technologiegetriebenen Sichtweise. Er zeigt, dass eine wirklich nahtlose und profitable Omnichannel-Erfahrung im Kern eine organisatorische Revolution erfordert. Wir analysieren, warum digitale Pure-Player oft profitabler agieren, wie Sie interne Kannibalisierungskonflikte aufdecken und lösen und wie Sie eine Vertriebsarchitektur schaffen, in der sich Online- und Offline-Kanäle gegenseitig beflügeln, anstatt sich zu bekämpfen. Es geht darum, eine Struktur zu schaffen, die nicht nur den Umsatz steigert, sondern vor allem die Margenstabilität sichert.
Um diese komplexe Herausforderung zu meistern, haben wir den Weg in klare, strategische Etappen unterteilt. Der folgende Überblick führt Sie durch die entscheidenden Bausteine einer erfolgreichen und profitablen Omnichannel-Transformation.
Inhaltsverzeichnis: Der Weg zur profitablen Omnichannel-Architektur
- Warum erzielen digitale Pure-Player 23% höhere Margen als multichannel Händler: Operational Excellence versus Kanalkonflikt?
- Wie Sie eine Omnichannel-Strategie in 5 Schritten aufbauen, die nahtlose Customer Experiences über alle Touchpoints ermöglicht?
- Shopify oder SAP Commerce Cloud: Welche E-Commerce-Plattform passt zu Ihrer Produktkomplexität und IT-Ressourcen?
- Der Omnichannel-Fehler, der 61% aller Handelsunternehmen mit internen Kannibalisierungskonflikten lähmt: Konkurrierende Incentive-Systeme
- Wie Sie durch systematische A/B-Tests alle 2 Wochen Ihre Conversion Rate um 3-5% pro Quartal steigern?
- Warum generieren Service-Innovationen 34% höhere Margen als Produktinnovationen: Die verborgene Profitabilität immaterieller Leistungen?
- Wie selbstlernende Thermostate Ihre Heizkosten um 28% senken: Der optimale Konfigurationszyklus in den ersten 4 Wochen
- Kundenorientierte Marktexpansion: Wie Customer-Intelligence die Neukundengewinnung um 120% beschleunigt bei 85% Retention
Warum erzielen digitale Pure-Player 23% höhere Margen als multichannel Händler: Operational Excellence versus Kanalkonflikt?
Die Beobachtung ist für viele traditionelle Händler frustrierend: Digitale Pure-Player scheinen oft mit beneidenswerter Leichtigkeit höhere Margen zu erzielen. Der Grund dafür ist selten eine überlegene Produktpalette, sondern vielmehr eine fundamental andere Organisationsstruktur. Pure-Player sind auf einem „grünen Feld“ ohne historisch gewachsene Silos gestartet. Ihre gesamte Organisation, von der Logistik bis zum Marketing, ist auf einen einzigen, digitalen Vertriebsweg ausgerichtet. Dies ermöglicht eine maximale operationelle Exzellenz ohne Reibungsverluste.
Im Gegensatz dazu kämpfen Multichannel-Händler oft mit einem unsichtbaren Gegner: dem internen Kanalkonflikt. Jeder Kanal – die Filiale, der Onlineshop, der Katalogversand – hat oft seine eigene Erfolgsrechnung, eigene Budgets und eigene Anreizsysteme. Dies führt unweigerlich zu Konkurrenz statt zu Kooperation. Die klassische Multichannel-Strategie des reinen Nebeneinanders von Kanälen verliert daher an Bedeutung. Eine EHI-Studie belegt diesen Trend: Während die Anzahl reiner Multichannel-Händler unter den Top-1.000 Online-Shops in Deutschland schrumpfte, wuchs die Gruppe der Cross- und Omnichannel-Händler um 14 %. Dies zeigt, dass der Markt die Notwendigkeit der Kanalintegration erkannt hat.
Es zeigt sich, dass unter den Top-1.000-Online-Shops mittlerweile tendenziell entweder nur auf Online oder auf die Verknüpfung aller Vertriebskanäle gesetzt wird. Die klassische Multichannel-Strategie scheint unpopulärer zu werden.
– Christoph Langenberg, EHI-Studie Omnichannel-Commerce 2019
Der entscheidende Unterschied zwischen Multichannel und Omnichannel liegt genau hier: Multichannel bedeutet, dass ein Unternehmen mehrere Kanäle betreibt, die oft isoliert voneinander agieren. Omnichannel hingegen bedeutet, diese Kanäle zu einer einzigen, kohärenten Vertriebsarchitektur zu verschmelzen, in der der Kunde nahtlos wechseln kann. Die Margenstärke der Pure-Player ist also kein Zufall, sondern das Ergebnis einer Organisation, die von Natur aus frei von Kannibalisierungsängsten ist – ein Zustand, den traditionelle Händler nur durch eine bewusste organisatorische Transformation erreichen können.
Wie Sie eine Omnichannel-Strategie in 5 Schritten aufbauen, die nahtlose Customer Experiences über alle Touchpoints ermöglicht?
Eine erfolgreiche Omnichannel-Strategie entsteht nicht über Nacht. Sie ist das Ergebnis eines methodischen Prozesses, der weit über die reine Technologieauswahl hinausgeht. Das Ziel ist es, eine nahtlose Customer Journey zu schaffen, bei der der Kunde an jedem Touchpoint – sei es online, mobil oder in der Filiale – eine konsistente und positive Markenerfahrung hat. Dieser Aufbauprozess lässt sich in fünf strategische Kernschritte unterteilen.
Der erste und fundamentalste Schritt ist die Schaffung einer zentralen Datenplattform. Ohne eine „Single Source of Truth“, die alle Kunden- und Produktdaten bündelt, bleibt jede Omnichannel-Initiative Stückwerk. Darauf aufbauend muss die tatsächliche Customer Journey akribisch analysiert werden (Customer Journey Mapping), um alle Berührungspunkte und potenziellen Reibungspunkte zu identifizieren. Erst dann folgt die technische Integration, die für eine Synchronisation von Beständen und Kundendaten in Echtzeit sorgt und damit die Grundlage für Services wie Click & Collect oder In-Store Returns schafft.

Wie das Schaubild andeutet, ist die Vernetzung der Kanäle kein linearer, sondern ein zirkulärer Prozess, der ständige Optimierung erfordert. Anstatt die Strategie sofort unternehmensweit auszurollen, empfiehlt sich ein agiler Ansatz. Ein Pilotprojekt mit einer begrenzten Produktlinie oder in einer spezifischen Region minimiert das Risiko und liefert wertvolle Daten zur Validierung des Konzepts, bevor es skaliert wird.
Ihr Aktionsplan: Audit der Omnichannel-Fähigkeit
- Datenfundament prüfen: Inventarisieren Sie alle Systeme, die Kundendaten speichern (CRM, ERP, Kassensystem, Shop-System). Identifizieren Sie die „Single Source of Truth“ oder planen Sie deren Aufbau.
- Customer Journey mappen: Verfolgen Sie einen typischen Kaufprozess von der Online-Recherche bis zum Kauf in der Filiale (und retour). Wo gibt es Brüche oder Inkonsistenzen?
- Anreizsysteme analysieren: Konfrontieren Sie die Provisionsmodelle für Online- und Offline-Vertrieb. Belohnen sie Kooperation (z.B. Online-Verkauf mit Filialabholung) oder Konkurrenz?
- Technologie-Lücken identifizieren: Fehlt die technische Fähigkeit, Lagerbestände der Filialen online anzuzeigen? Können Online-Retouren im Laden abgewickelt werden? Erstellen Sie eine priorisierte Liste.
- Pilotprojekt definieren: Skizzieren Sie ein kleines, messbares Projekt (z.B. „Click & Collect für Produktgruppe X in Region Y“), um die harmonisierte Strategie zu testen.
Shopify oder SAP Commerce Cloud: Welche E-Commerce-Plattform passt zu Ihrer Produktkomplexität und IT-Ressourcen?
Die Wahl der richtigen E-Commerce-Plattform ist eine strategische Weichenstellung für jede Omnichannel-Initiative. Es gibt keine „beste“ Lösung für alle; die Entscheidung hängt maßgeblich von der Komplexität Ihrer Produkte, der Größe Ihres Unternehmens und den verfügbaren IT-Ressourcen ab. Zwei prominente Vertreter an entgegengesetzten Enden des Spektrums sind Shopify und die SAP Commerce Cloud. Die Wahl zwischen einer schnell implementierbaren SaaS-Lösung und einer hochgradig anpassbaren Enterprise-Plattform ist fundamental.
Shopify, insbesondere in Kombination mit Shopify POS (Point of Sale), ist oft die bevorzugte Wahl für kleine und mittelständische Unternehmen (KMU) oder für Marken, die einen schnellen Markteintritt anstreben. Die Stärke liegt in der einfachen Bedienung und der schnellen Implementierung, die es Händlern ermöglicht, Online- und Offline-Verkäufe über ein einziges, integriertes System zu verwalten. Das Beispiel des Bremer Sneakerstores Glückstreter zeigt eindrucksvoll, wie diese Integration funktionieren kann. Durch den Einsatz von Shopify POS konnte das traditionelle Geschäft während der Pandemie nicht nur überleben, sondern durch die clevere Verzahnung von stationärem Handel und E-Commerce sogar wachsen.
Fallstudie: Glückstreter
Der Bremer Sneakerstore Glückstreter demonstriert erfolgreiches Omnichannel-Retailing: Durch die Integration von Shopify POS schaffte das traditionelle Geschäft einen nahtlosen Übergang zur Digitalwelt. Synchronisierte Bestände und ein konsistentes Einkaufserlebnis ermöglichten während der Pandemie nicht nur den Umsatzerhalt, sondern sogar Wachstum.
Am anderen Ende des Spektrums steht die SAP Commerce Cloud, eine Enterprise-Lösung für große Unternehmen mit komplexen B2B- und B2C-Anforderungen und globalen Vertriebsstrukturen. Sie bietet eine tiefgreifende Kanalorchestrierung und native Unterstützung für Headless Commerce, erfordert aber auch erheblich mehr Zeit und Budget für Implementierung und Betrieb (Total Cost of Ownership, TCO).
| Kriterium | Shopify | SAP Commerce Cloud |
|---|---|---|
| Zielgruppe | KMU, schneller Markteintritt | Enterprise, komplexe B2B/B2C |
| Omnichannel-Features | Shopify POS, nahtlose Online-Offline Integration | Vollständige Kanalorchestrierung |
| Implementierungszeit | Wochen bis Monate | Monate bis Jahre |
| TCO (Total Cost of Ownership) | Niedrig bis mittel | Hoch |
| Skalierbarkeit | Gut für mittlere Volumina | Enterprise-Level |
| Headless Commerce | Möglich mit Apps | Native Unterstützung |
Der Omnichannel-Fehler, der 61% aller Handelsunternehmen mit internen Kannibalisierungskonflikten lähmt: Konkurrierende Incentive-Systeme
Der gefährlichste Saboteur einer Omnichannel-Strategie ist oft unsichtbar und in der Unternehmenskultur verankert: konkurrierende Anreizsysteme. Während die Unternehmensleitung von nahtloser Customer Experience spricht, kämpfen Vertriebsmitarbeiter in der Filiale und das E-Commerce-Team oft einen stillen Krieg um Budgets und Provisionen. Dieses Problem ist der Kern der Kanalkannibalisierung und lähmt mehr Unternehmen, als man annehmen würde.
Stellen Sie sich ein typisches Szenario vor: Ein Filialmitarbeiter wird auf Basis des im Laden generierten Umsatzes provisioniert. Ein Kunde kommt in den Laden, lässt sich beraten, zögert aber mit dem Kauf. Der Mitarbeiter hat null Anreiz, den Kunden auf den Onlineshop hinzuweisen, wo das Produkt vielleicht in einer anderen Farbe verfügbar wäre. Im Gegenteil: Er könnte sogar versuchen, den Onlinekauf aktiv zu verhindern, da dieser „seinen“ Umsatz schmälert. Das Ergebnis ist eine schlechte Kundenerfahrung und potenziell ein verlorener Verkauf für das gesamte Unternehmen. Dieser Konflikt ist ein Grund, warum Online-Shopping trotz seiner Vorteile oft zu Frustration führt. Eine Studie der Universität St. Gallen zeigt, dass 67% der Kaufabbrüche online stattfinden, während der stationäre Handel wieder an Bedeutung gewinnt.
Die Lösung liegt in der Harmonisierung der Anreizsysteme. Erfolgreiche Omnichannel-Unternehmen stellen sicher, dass alle Mitarbeiter auf ein gemeinsames Ziel hinarbeiten: den Gesamterfolg des Unternehmens, unabhängig vom Kanal. Dies kann durch verschiedene Modelle erreicht werden:
- Geteilte Provisionen: Ein Online-Verkauf, der in einer Filiale abgeholt wird (Click & Collect), generiert eine Provision für die Filiale.
- Team-Boni: Die Gesamtperformance der Region (online + offline) bestimmt den Bonus, nicht der individuelle Filialumsatz.
- Kunden-KPIs: Mitarbeiter werden nicht nur nach Umsatz, sondern auch nach Kundenzufriedenheit oder der Rate an wiederkehrenden Kunden bewertet, kanalübergreifend.
Ohne die Beseitigung dieser internen Konkurrenz bleibt jede technologische Investition ein teures Pflaster auf einer strukturellen Wunde. Die Margenstabilität, die sich Vertriebsleiter wünschen, ist nur erreichbar, wenn die Organisation aufhört, gegen sich selbst zu arbeiten.
Wie Sie durch systematische A/B-Tests alle 2 Wochen Ihre Conversion Rate um 3-5% pro Quartal steigern?
Sobald die organisatorischen und technologischen Grundlagen einer Omnichannel-Strategie geschaffen sind, beginnt der Prozess der kontinuierlichen Optimierung. In einem dynamischen Marktumfeld ist die Annahme, eine einmal definierte Strategie würde dauerhaft funktionieren, ein Trugschluss. Der Schlüssel zu nachhaltigem Wachstum liegt in einem rigorosen, datengesteuerten Testprozess. Systematisches A/B-Testing ist dabei die effektivste Methode, um die Conversion Rate schrittweise und vorhersehbar zu steigern.
Es geht nicht darum, willkürlich die Farbe eines Buttons zu ändern. Vielmehr müssen kanalübergreifende Hypothesen gebildet und getestet werden. Beispiel: „Erhöht die Anzeige des lokalen Filialbestands auf der Produktseite die Click & Collect-Rate und den Gesamtumsatz?“. Solche Tests liefern wertvolle Einblicke in das tatsächliche Kundenverhalten. Moderne, KI-gestützte Werkzeuge können diesen Prozess erheblich beschleunigen und optimieren. Sie ermöglichen multivariate Experimente über Web, Mobile und sogar In-Store-Systeme hinweg und identifizieren die gewinnbringendsten Kombinationen. Die Ergebnisse sind beeindruckend: AI-gestützte Conversion-Optimierung kann die Conversion Rate um bis zu 28% steigern.

Ein erfolgreiches Test-Framework folgt einem disziplinierten Zyklus. Jedes Experiment, von der Hypothesenbildung über das technische Setup bis zur Datensammlung und Analyse, muss sorgfältig geplant werden. Um statistisch signifikante Ergebnisse zu erhalten, ist eine ausreichende Datenmenge, oft mehrere tausend Sessions pro Variante, unerlässlich. Der Fokus liegt dabei auf dem inkrementellen Uplift über alle Kanäle hinweg. Ein Portfolio-Ansatz, bei dem mehrere Experimente parallel über die gesamte Customer Journey laufen, maximiert den Lerneffekt und den kumulativen Einfluss auf die Conversion Rate.
Durch die Etablierung eines solchen zweiwöchentlichen Test-Rhythmus wird Optimierung zu einem festen Bestandteil der Unternehmenskultur. Statt auf Bauchgefühl verlässt man sich auf harte Daten, um Entscheidungen zu treffen und die Profitabilität kontinuierlich zu verbessern.
Warum generieren Service-Innovationen 34% höhere Margen als Produktinnovationen: Die verborgene Profitabilität immaterieller Leistungen?
Im Wettlauf um die Gunst der Kunden konzentrieren sich viele Unternehmen auf Produktinnovationen. Ein schnellerer Prozessor, ein leichteres Material, ein neues Design. Doch oft liegt die wahre, margenstarke Differenzierung nicht im Produkt selbst, sondern in den immateriellen Leistungen, die es umgeben – den Service-Innovationen. Diese Dienstleistungen sind schwerer zu kopieren, schaffen eine stärkere Kundenbindung und rechtfertigen oft einen höheren Preis, was direkt zur Margenstabilität beiträgt.
Eine Service-Innovation im Omnichannel-Kontext ist mehr als nur eine freundliche Hotline. Es geht darum, den Kauf- und Nutzungsprozess durch intelligente Dienstleistungen radikal zu vereinfachen und zu verbessern. Beispiele hierfür sind persönliche Einkaufsberatung per Video-Chat, hyper-personalisierte Empfehlungen auf Basis der kanalübergreifenden Kaufhistorie oder Garantieverlängerungen, die mit einem Klick in der App abgeschlossen werden können. Diese Services steigern den Wert des Gesamtangebots. Die wachsende Bedeutung solcher service-orientierten Kanäle wird auch durch aktuelle Daten untermauert: 81% der Marketer bewerten Retail Media als wichtigsten Marketingkanal 2024, da er Service und Produktwerbung direkt am Point of Sale verbindet.
Fallstudie: Decathlon eXperience
Ein herausragendes Beispiel für Service-Innovation liefert Decathlon in Singapur mit dem „Decathlon eXperience“-Store. Es handelt sich um einen analogen Onlineshop ohne Kassierer, in dem Kunden Waren testen, selbst scannen und mit Online-Zahlmethoden bezahlen. Die nahtlose Integration ermöglicht Heimlieferung oder Store-Pickup von Online-Bestellungen. Diese Innovation schafft eine einzigartige, reibungslose Erfahrung und bindet Kunden über alle Plattformen hinweg – von Facebook bis zur Apple Vision Pro – an die Marke.
Der Fall Decathlon zeigt, wie die Grenzen zwischen Produkt und Service verschwimmen. Das Testen der Produkte im Store wird selbst zu einer wertvollen Dienstleistung. Im Gegensatz zu einer reinen Produktverbesserung, die schnell von der Konkurrenz nachgeahmt werden kann, schafft eine tief in die Organisation integrierte Service-Architektur einen nachhaltigen Wettbewerbsvorteil. Die Investition in immaterielle Leistungen ist somit keine Nebensache, sondern ein zentraler Hebel für profitable Differenzierung im dichten Wettbewerb.
Wie selbstlernende Thermostate Ihre Heizkosten um 28% senken: Der optimale Konfigurationszyklus in den ersten 4 Wochen
Dieser Titel mag im Kontext von Vertriebsstrategien überraschen. Was haben selbstlernende Thermostate mit Omnichannel zu tun? Die Antwort liegt in der Analogie: Ein modernes Omnichannel-System verhält sich wie ein intelligenter Thermostat. Es genügt nicht, es einmal zu installieren und dann zu vergessen. Sein wahrer Wert entfaltet sich erst durch einen kontinuierlichen Lern- und Kalibrierungszyklus, der auf echten Nutzerdaten basiert.
Viele Unternehmen scheitern genau hier. Sie investieren massiv in CRM- und E-Commerce-Plattformen, versäumen es aber, die notwendigen Feedback-Schleifen zu implementieren. Das System läuft, sammelt Daten, aber niemand „justiert den Thermostat“. Eine Studie von Forrester bestätigt diese Lücke schonungslos: Nur 41 % der Unternehmen stellen den Kunden wirklich ins Zentrum ihrer Strategie und nutzen Daten, um dessen bevorzugte Kanäle zu verstehen und zu priorisieren. Der Rest betreibt teure Technologie im Blindflug.
Ein optimaler Konfigurationszyklus in den ersten Monaten nach der Einführung einer Omnichannel-Struktur ist entscheidend. In dieser Phase müssen die richtigen Key Performance Indicators (KPIs) überwacht werden, um das System zu kalibrieren. Dazu gehören nicht nur der Umsatz, sondern vor allem strategische Metriken wie die Customer Acquisition Cost pro Kanal, der Customer Lifetime Value (CLV), die Retourenquote über alle Kanäle hinweg und – ganz entscheidend – die Kannibalisierungsrate zwischen Online und Offline. Moderne Systeme nutzen sogar „Predictive Orchestration“, bei der KI-Modelle auf Basis historischer Daten die zukünftige Nachfrage pro Kanal vorhersagen und proaktiv Ressourcen zuweisen. Dies ist das Äquivalent zum Thermostat, der lernt, dass Sie freitags immer früher nach Hause kommen, und die Heizung entsprechend vorwärmt.
Effektive Feedback-Loops sind der Mechanismus für dieses Lernen. Die systematische Analyse von Retourengründen bei Online-Käufen muss direkt in die Produktentwicklung und das Online-Merchandising zurückfließen. Kundenfeedback aus den Stores, gesammelt über Tablets oder durch Mitarbeiter, liefert unschätzbare qualitative Einblicke, um das Online-Erlebnis zu verbessern. Ohne diesen ständigen Kreislauf aus Messen, Analysieren und Anpassen bleibt selbst die teuerste Omnichannel-Architektur ein dummes, ineffizientes System.
Das Wichtigste in Kürze
- Der größte Hebel für profitables Omnichannel-Wachstum ist nicht die Technologie, sondern die Harmonisierung interner Anreizsysteme zur Vermeidung von Kanalkonflikten.
- Service-Innovationen schaffen eine stärkere, schwerer kopierbare Differenzierung und höhere Margen als reine Produktinnovationen.
- Ein Omnichannel-System muss wie ein lernendes System behandelt werden, das durch kontinuierliches Testen und die Analyse der richtigen KPIs ständig kalibriert wird.
Kundenorientierte Marktexpansion: Wie Customer-Intelligence die Neukundengewinnung um 120% beschleunigt bei 85% Retention
Eine der größten Chancen einer funktionierenden Omnichannel-Architektur liegt in der intelligenten, datengesteuerten Marktexpansion. Anstatt sich bei der Eröffnung neuer Filialen oder dem Eintritt in neue Regionen auf Bauchgefühl zu verlassen, ermöglicht Customer Intelligence eine präzise, risikominimierte Vorgehensweise. Die Analyse von Online-Suchanfragen, Lieferadressen und demografischen Daten aus dem E-Commerce liefert ein klares Bild davon, wo eine hohe Dichte an potenziellen Kunden existiert, noch bevor ein einziger Euro in eine neue physische Präsenz investiert wurde.
Omnichannel-Daten als Treibstoff für die geografische Expansion: Die Analyse von Online-Suchanfragen und Lieferadressen validiert die Standortwahl für neue Filialen oder Logistik-Hubs und minimiert das Risiko von Fehlinvestitionen.
– Thomas Rudolph, Institute of Retail Management (IRM-HSG), Universität St. Gallen
Diese Vorgehensweise nutzt das Verhalten der Kunden, die ohnehin schon über mehrere Kanäle agieren. Aktuelle Studien belegen, dass 73 % der Konsumenten mehrere Kanäle beim Shopping nutzen. Eine „Research Online, Purchase Offline“ (ROPO) Strategie ist hierbei besonders wirkungsvoll. Sie erkennt an, dass viele Kunden ihre Kaufreise online beginnen, den Kaufabschluss aber im stationären Handel bevorzugen. Indem man online exzellente Informationen und Services bietet, zieht man Kunden in die physischen Geschäfte und steigert so den Umsatz auf beiden Kanälen.
Fallstudie: OBI
Die Baumarktkette OBI setzt seit 2010 erfolgreich auf die ROPO-Strategie. Kunden können sich online ausführlich über komplexe Produkte wie Bohrmaschinen oder Gartenhäuser informieren, Anleitungen ansehen und die Verfügbarkeit im lokalen Markt prüfen. Diese umfassende Online-Vorbereitung senkt die Kaufhürde und führt die gut informierten Kunden direkt in die Filialen. Das Ergebnis ist eine erhöhte Kundenbindung, ein gestärktes Markenbild und nachhaltiger Umsatzanstieg sowohl online als auch offline.
Die aus dem digitalen Kanal gewonnene Customer Intelligence beschleunigt nicht nur die Neukundengewinnung in neuen Märkten, sondern sichert auch eine hohe Kundenbindung (Retention). Ein Kunde, der online recherchieren, im Laden kaufen und online retournieren kann, erfährt einen so hohen Komfort, dass die Wechselbereitschaft zur Konkurrenz signifikant sinkt. Die Investition in eine solche nahtlose Erfahrung ist somit die beste Form der Kundenbindung.